László F. Földényi,
Robert Gernhardt, Ulrich Schacht

Johannes Nawrath –
Was im Licht mit
den Dingen geschieht

Herausgegeben von Thomas C. Garbe
Dölling und Galitz, Hamburg 2002

22 x 17,5 cm, 80 Seiten, mit 38 Farbabbildungen, Fadenheftung/Leinen

Euro 18,–
zuzüglich Euro 2,– Porto- und Verpackung
Bestellung unter: jn@johannes-nawrath.de

 

 

185. »Mühlenberger Loch«, 2001,
90 x 120 cm, Acryl auf Leinwand, Privatbesitz

 

»Nawrath ist ein Maler der Oberfläche im doppelten Sinn: Die Welt seiner Gemälde besteht ausschließlich aus dem, was sichtbar ist – ohne jede Hintergründigkeit, kommentierbare Andeutung. Und auch die stoffliche Oberfläche seiner Bilder steht im Dienste des rein Optischen: Farbauftrag und Pinselführung, Acryltechnik und leicht pastose Bearbeitung – all das intensiviert die einheitliche Gesamtwirkung.

Je länger ich die Bilder betrachte, desto mehr scheint die Welt, die sich vor meinen Augen öffnet, eine hauchdünne, feine, nahezu transparente, über ein Nichts gespannte Fläche zu sein, die jeden Moment reißen kann, um der hinter ihr gähnenden Leere Platz zu machen. Doch bis dahin herrscht sie straff und glanzvoll über alles. Die Gemälde vergegenwärtigen einen zeitlosen – oder vorletzten – Moment, in dem alles irgendwie stehenbleibt. Die eigentlich tosenden und wogenden Wellen sind stumm und reglos; die Wolken verharren; der gekräuselte Wasserspiegel erstarrt; die ausgestorbenen Felder liegen im ewigen Abendlicht; die Häuser der Städte oder Dörfer gedulden sich still; die Menschen auf der Uferpromenade sind wie versteinert; die Villen, Skulpturen, Wege und Aussichtstürme wurden zu Denkmälern ihrer selbst. Nawrath ist ebenso ein Maler der letztgültigen Augenblicke wie die Niederländer des 17. Jahrhunderts; und gleich ihnen denkt er nicht daran, die letztgültigen Augenblicke in dramatischen, kathartischen Schlußpunkten, in theatralischen Crescendi zu artikulieren, sondern im Ephemeren, im Flüchtigen, sonst Unbemerkbaren.«
László F. Földényi

152. »Aussichtsplattform am Meer«, 1999,
90 x 120 cm,Acryl auf Leinwand

»Offenbar macht Nawrath einfach keine Unterschiede zwischen alter Schönheit und zeitgenössischer Schilderwelt. Das ist eine Haltung, die nicht versöhnlerisch ist, jedoch versöhnt. Wer Nawraths Bilder sieht, der bekommt einen entspannteren und gelasseneren Blick auf die Umwelt. Er wird nicht sofort losschreien, wie hässlich, wie hässlich, wenn er irgend etwas sieht, was kritisierbares Menschenwerk ist. Denn so hässlich ist es ja gar nicht, und außerdem kann es so schöne Schatten werfen, wie hier dieses Geländer, und auch auf dem hässlichen Zement gibt es Pfützen, in denen spiegelt sich wieder was Schönes, nämlich blauer Himmel. Das sind keine versteckten Schönheiten am Wegesrand, das ist ganz einfach eine Schule des Sehens: Erst einmal genau hinsehen und nicht gleich urteilen. Nicht gleich dämonisieren oder verklären wollen. Einfach mal wahrnehmen, wie es ist.«
Robert Gernhardt

193. »Parkeingang, Toskana«, 2001,
120 x 80 cm, Acryl auf Leinwand, Privatbesitz

»Es sind nicht allein die Zypressen bei Parkeingang, Toskana, die in die Richtung der 1883 entstandenen dritten Fassung (von fünf) der Toteninsel Böcklins weisen; auch der dort viel stärker als in den ersten Versionen ausgeführte, weil sichtbar gemachte Eingangsbereich mit Torsockeln und steinernem Wegestück taucht im Parkeingang, Toskana auf: Das Zitat als suggestive Projektion auf das eigene Werk. Was aber nun nicht entsteht, ist Verdoppelung ins Schwächere, weder Konturen- noch Stimmungs-Remake sind zu beklagen, vielmehr erscheint eine, wenn wir so wollen, sechste Fassung der Toteninsel: ein Park ins Verschwinden. Daß wir wie aus einem Auto, nicht aber wie aus einem Nachen auf das Tor zu diesem Park blicken, verhindert im übrigen anachronistische Ausdeutungsexzesse der Szene. Ich glaube also nicht, daß meine These kühn ist; kühn ist aber das Bild, nicht zuletzt insofern, als es die Auftrags-Philosophie, die Böcklin 1880 aus dem Mund einer jungverwitweten Marie Berna und späteren Gräfin von Oriola entgegennahm, der eigenen Arbeit im Jahre 2001 mit unheimlicher Konsequenz voraussetzt: ›Malen Sie mir ein Bild zum Träumen.‹«
Ulrich Schacht